26. April 2012: Podcast-Logbuch

Hin und wieder ist es richtig gut etwas stupidere Arbeiten durchführen zu müssen, da sich dabei eine gute Gelegenheit bietet, die sich mittlerweile zu Bergen anstauenden Todo-Podcasts ein wenig Nachzuhören. Mittlerweile gibt’s es so viele hervorragende Audioschnipsel und längere Sendungen im Netz, dass es schier unmöglich wird, alles interessante zu hören. Gerade wenn man, wie ich es für mich immer wieder feststellen muss, ein sehr breit gefächertes Interessenspektrum hat.

Da wären einerseits die teilweise sehr guten Beiträge öffentlich rechtlicher Radioanstalten, denen ich auch genau aus diesem – und nur aus diesem – Grund, gerne meine Rundfunkgebühren bezahle. Deutschlandradio (DLF, DRadio Kultur & DRadio Wissen) gehört schon seit Jahren zu meinem täglichen Repertoire, aber auch SWR2, BR2, HR2 und andere haben spannende Sendungen. Dann noch die unzähligen privat veranstalteten Podcastsendungen, die oft in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen Zweiergespräche oder auch größere Gesprächsrunden über mehrere Stunden ins Netz stellen. Wunderbar für nebenbei.

Diesmal gehört, bei einigen Stunden eher monotoner Tätigkeit:

Ich mag die WRINT-Gespräche, weil Holger Klein ein sehr angenehmer Gesprächsleiter ist und zudem über einen echt guten Humor verfügt. Christopher Lauer, joa. Da kann man einiges zu sagen, die Meinungen gehen stark auseinander. Arrogant? Narzissmus? Was auch immer, vorgeworfen wird viel und vieles bestimmt nicht völlig zu Unrecht. Ich kenne ihn nicht persönlich, daher maße ich mir hier auch kein Urteil an. Politisch teile ich einige seiner Argumente, andere gar nicht. Von der politischen Grundhaltung her gibt es sicherlich auch einige Differenzen. Sein Auftreten in TV-Talkshows wird von vielen als arrogant bezeichnet, das finde ich nicht. Es ist wohl eher eine Schutzmaske um dieses idiotische Medienspektakel nicht zu sehr an die Persönlichkeit zu lassen und um nicht deren Erwartungen zu erfüllen. Kann ich sehr gut verstehen, auch wenn ich das Auftreten meist nicht als sympathisch empfinde. Eine gewisse Selbstüberschätzung und Selbstverliebtheit ist sicherlich ein negativer Charakterzug Lauers. Das wird im genannten Gespräch z. B. sehr deutlich wenn er von seiner nachtragenden Gekränktheit aufgrund der Wahlniederlage gegen Sebastian Nerz und deren persönliches Verhältnis zu sprechen kommt. Andererseits, das was er an Kritik gegen Nerz vorbringt sind durchaus wichtige und richtige (wenn sie denn so stimmen) Kritikpunkte. Holger will das ein bisschen als Scherz auffassen, aber was Christopher hier sagt ist durchaus ein echtes Persönlichkeitsproblem, wie es scheint. Aber was soll’s, alle Menschen haben Schwächen. Und einen Politiker muss man nicht lieben um sich mit seiner Politik einverstanden zu erklären. Christopher Lauer hat zweifelsfrei Kompetenzen die ihn für eine politische Karriere eignen. Auch wenn mir selbst diese Kompetenzen, bei ihm wie bei anderen, meist als negative erscheinen und mit verantwortlich für viele Probleme parlamentarischer Demokratie sind. Meist sind es halt die Falschen, die am Ende nach oben kommen. Die Piratensache macht Lauer bisher ganz gut und ist daher ein zu unterstützender Vertreter seiner Partei, die ansonsten eben noch viele sehr ungelenke VertreterInnen ausweist, die leider allzu oft durch medieninkompetente oder geschichtsvergessene Kommentare auffallen. Wünschen würde ich mir letztendlich wahrscheinlich andere als Stellvertreter in erster Reihe, die mir das Eintreten für und vielleicht auch in diese Partei aus Überzeugung ermöglichen würden. Momentan, d. h. zur kommenden NRW-Wahl werde ich sie zwar wählen, weil sie einfach die meisten wesentlichen Politikpunkte derzeit verfolgen, bin aber trotzdem eher mäßig überzeugt.

Für mich am interessantesten war Folge 10, was jedoch daran liegt, dass mir die Themen die in den Folgen zu Kant und Identität besprochen wurden, alle schon sehr vertraut waren und daher nichts wirklich neues brachten. Aber auch hier wurden interessante Dinge wiederholt oder aus einem anderen Licht betrachtet. Bei Kant ging es vor allem um den Kategorischen Imperativ und die Maxime des Handeln. Länger wurde dabei darüber diskutiert was denn nun diese Vernunft als Grundlage der Handlungsmaxime sei und ob dies nicht eine zu unkonkrete Bestimmung ist, mit der sich am Ende alles mögliche rechtfertigen ließe. Liest man Kant genau und komplett, wird schnell klar: Nein, es lässt sich natürlich nicht alles rechtfertigen. Vieles was im Podcast diskutiert wurde, wäre ganz klar gegen das Kant’sche Verständnis menschlicher Vernunft.

Identität, insbesondere, wie man das von einem Soziologie-Podcast erwartet, im Sinne sozialer Rollen. So hat jeder Mensch verschiedene Rollen und damit unterschiedliche Identitäten. Alles hinlänglich bekannt. Interessant war am Ende die Diskussion um die Identifikationssuche in virtuellen Welten, die dann teilweise in Analogie zu Süchten diskutiert wurde. Außerdem Identitätsstiftung durch Konsum bzw. das Versprechen von Identitäten in der Werbung. Interessante Aspekte, alles bekannt, aber trotzdem stark hörenswert.

Zum Thema Fundamentalismus/Extremismus ging es von deren Definitionen zu einem Gespräch über religiösen und politisch/ideologischen Extremismen. Vor allem diese politischen Aspekte fand ich sehr interessant. Weiter würde ich allerdings darin gehen, dass im Kapitalismus nicht nur durch drohende Überhandnahme des Marktes über die Politik der Fall  ins ideologische droht, sondern dass der Kapitalismus selbst natürlich und auch in seinen modernen Ausprägungen der „sozialen Marktwirtschaft“ voll und ganz politische Ideologie ist, wenn er als festes Bestandteil der Demokratie verkauft wird. Was in allen westlichen Staaten mehr oder weniger so gehandhabt wird.

Es ging um das Internet und wie es die Gesellschaft prägt und verändert. Ein bisschen Kritik aus Sicht eines Intellektuellen aus einer Zeit vor dem Netz, weshalb auch Gefahren und Risiken angesprochen werden die die Vernetzung bringen. Dann aber viele positive Veränderungen und Bereicherungen die es der Menschheit bringt. Wie die Bildung im Netzzeitalter verändert werden muss. Schulen sollten sich darauf beschränken Lebenskompetenzen, geisteswissenschaftliche und ästhetische Bildung zu vermitteln, während das reine Wissen in Zukunft mehr und mehr aus dem Netz bezogen werde, das ohnehin schon längst mehr weiß als jeder Mensch je wissen kann.